Nachlese zur CPOs@BPM&O 2016

CPOs@BPM&OÜber 80 Teilnehmer lockte die zweitägige Tagung nach Köln, die von dem auf das Prozessmanagement spezialisierte Beratungshaus BPM&O veranstaltet wurde. Auf dem Programm stand ein abwechslungsreicher Mix aus Praxisberichten, Expertenvorträgen, Toolvorstellungen und „Hands on“-Workshops. „Quo vadis, Prozessmanagement?“ fragten zur Eröffnung die BPM&O-Geschäftsführer Thilo Knuppertz und Uwe Feddern. Und konstatierten, dass das Thema Prozessmanagement in den vergangenen Jahren vollends in den Fachabteilungen angekommen sei. Waren ihre Ansprechpartner in den Unternehmen früher überwiegend in der IT angesiedelt, so sprechen sie heute meist mit dem Business. Knuppertz erläuterte, welche Rolle die Prozesse für die erfolgreiche und rasche Strategieumsetzung spielen. Insbesondere die vielbeschworene digitale Transformation könne nur gelingen, wenn das magische Dreieck aus Kunden, Produkten und Prozessen geeignet aufeinander abgestimmt werde. Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren Verbesserungen einzelner Prozesse mit Hilfe von Methoden wie Six Sigma oder Lean Management erzielt, stellen nun aber fest, dass zur dauerhaften Sicherung der Erfolge ein unternehmensweites Prozessmanagement erforderlich ist.

Praktische Beispiele für die Einführung von Prozessmanagement lieferten Erfahrungsberichte aus unterschiedlichen Branchen. So verwendet das Frankfurter Nahverkehrsunternehmen traffiQ das Reifegradmodell EDEN als Grundlage für die Bewertung und Weiterentwicklung der Prozessmanagement-Initiativen. Hierbei wurden auch die Aufbauorganisation und die Führungsstrukturen verändert. Wie eine Mitarbeiterbefragung zeigte, wurden allerdings nicht alle Änderungen positiv aufgenommen, weshalb nun die bemängelten Defizite gezielt angegangen werden. Noch recht neu ist das Thema Prozessmanagement bei den Stadtwerken Karlsruhe. Hier steht unter anderem die Integration der verschiedenen im Unternehmen vorhandenen Managementsysteme auf dem Programm, wie z. B. Qualitäts-, Umwelt- und Energiemanagement. Thorsten Speil berichtete, dass immer wieder der Nutzen des Prozessmanagements in Frage gestellt werde. Daher wurde ein Workshop durchgeführt, bei dem alle Bereichsleiter die aus ihrer Sicht wichtigsten Nutzenpotenziale bewerteten. Von zentraler Bedeutung sein die ständige Kommunikation. Immer wieder stelle man fest, dass Mitarbeiter gar nichts über die Prozessmanagement-Initiative wüssten.

Matthias Adelhard vom Messgerätehersteller Diehl Metering betreibt die Einführung von Prozessmanagement als Change-Projekt. Entsprechend setzt er Methoden des Veränderungsmanagements ein. Dabei kommt ihm seine Ausbildung als systemischer Organisationsentwickler zugute. Interessanterweise stimmen zwar die meisten Prozessmanagement-Praktiker der Aussage zu, dass ein gelingendes Veränderungsmanagement einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Prozessmanagement sei, doch hat kaum einer von ihnen eine Qualifikation im Bereich Organisationsentwicklung. Die bestätigte sich auch bei einer kurzen Umfrage im Publikum.

Im Laufe des ersten Tages präsentierten mehrere Toolhersteller ihre Prozessportale, mit denen Informationen über die Prozesse im Intranet veröffentlicht werden können. Zumeist wurden Beispiele aus konkreten Kundeninstallationen gezeigt, die einen Eindruck von den vielfältigen Navigations- und Kollaborationsmöglichkeiten gaben. Bei allen Herstellern hat sich in den vergangenen Jahren viel in Sachen Benutzerfreundlichkeit, rollenbasierten Konfigurationsmöglichkeiten und Unterstützung mobiler Endgeräte getan. Bei einer Publikums-Abstimmung setzte sich keiner der etablierten Plattformhersteller durch, sondern das noch recht neue Produkt „Ask Delphi“ von der Firma MTAC. Darin werden keine Prozessmodelle oder formale Beschreibungen ins Intranet gebracht, sondern auf die jeweilige Rolle abgestimmte Anleitungen, Videos, E-Learning-Sequenzen u. ä., die den Mitarbeiter bei der Durchführung seiner Arbeit auf recht intuitive Weise unterstützen.

Der zweite Tag widmete sich dem Thema Innovationen im Prozessmanagement. Prof. Mevius vom Konstanzer Institut für Prozesssteuerung griff erneut das Thema Digitalisierung auf und betonte, dass der Mehrwert neuer Technologien durch Prozesse entsteht. Prozessmanagement und BPM-Software haben heute einen hohen Entwicklungsstand erreicht. Dennoch stellt man fest, dass Ziele wie Kundenzufriedenheit oft nicht im gewünschten Ausmaß erreicht werden. Sein Credo: Der Mensch muss viel stärker im Mittelpunkt stehen. Ziel ist eine User Experience, wie man sie aus dem Consumer-Bereich gewohnt ist. Beispielsweise sind BPMN-Modelle ein hervorragendes Instrument für Experten, aber nicht für Fachanwender. Als Beispiel zur Unterstützung einer besseren Prozessaufnahme zeigte er eine intuitive, multimediabasierte App zur Prozesserfassung. Letztlich entsteht die „Process Experience“ aber vor allem bei der Prozessausführung. Auch hierfür präsentierte er einige Beispiele, z. B. die Integration von inEar-Devices zur Mitarbeiterunterstützung bei der Bearbeitung der Prozesse.

Lars Büsing von Learnical plädierte für die Integration von Innovationen ins Tagesgeschäft. Angesichts der Bedrohung vieler etablierter Geschäftsmodelle suchen Unternehmen nach Erfolgsformeln um sie zu kopieren. Das funktioniert in einem komplexen und chaotischen Umfeld aber nicht. Gefragt sind Innovationen, wobei es sich nicht vorrangig um einzelne Erfindungen handelt, sondern um ständiges Lernen. Erkenntnisse aus der Gehirnforschung besagen, dass Innovation nicht durch willentliche Anstrengung erzwungen werden können. Methoden wie „Lego Serious Play“ sind deswegen erfolgreich, weil Neues vor allem durch Spielen und beim Austausch zwischen Menschen entsteht.

Dies konnten die Teilnehmer anschließend selbst im Rahmen verschiedener Workshops selbst erleben. Neben Lego Serious Play, mit dem prozessbezogene Fragestellungen im buchstäblichen Sinne „be-greifbar“ gemacht werden, wurde auch ein Workshop zur kollaborativen Prozessmodellierung mit t.BPM angeboten, bei dem die in Form von kleinen Plättchen zur Verfügung stehenden Modellierungssymbole zunächst auf einem Tisch platziert und so ganz leicht neu arrangiert werden können. In einer dritten Runde stand das Spiel „Slotter“ im Mittelpunkt, mit dem das Zusammenspiel innerhalb von Prozessen ausprobiert und optimiert werden konnte. Uwe Feddern moderierte einen Dialog-Workshop, bei dem klare Regeln dazu beitragen, dass jeder zu Wort kommt und ein besseres Verständnis der Anliegen und Meinungen der anderen Gruppenmitglieder erreicht wird, als dies bei einer gewöhnlichen Diskussion der Fall ist.

Abgerundet wurde die Tagung von dem Trendforscher Walter Matthias Kunze, der die These vertrat, dass der Digitale Wandel zu einem sozialen Wandel führt und die Unternehmen daher ernst machen müssen mit der Umsetzung neuer Führungswerte. Hierzu gehört es, die Verantwortung an selbstorganisierte Teams zu übertragen und Kontrollen abzubauen. Unternehmen wie die brasilianische Firma Semco, die Werbeagentur Ministry, aber auch XING sind Beispiele dafür, wie dies funktionieren kann. Mit der zunehmenden Verbreitung von Technologie entsteht auch ein Gegentrend, nämlich ein steigendes Bedürfnis nach ethischen und spirituellen Werten. Unternehmen müssen dies berücksichtigen und die Werte und Ideale ihrer Kunden und Mitarbeiter achten sowie glaubwürdig handeln und kommunizieren.

Die Besucher erlebten eine hochkarätige Tagung, die sich neben den Vorträgen durch einen hohen Grad an Interaktionen und intensive Diskussionen auszeichnete.

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