Bitkom-Leitfaden für "New BPM"

Schlagworte gibt es viele im BPM-Umfeld. Der BITKOM fügt ein neues hinzu: „New BPM“. Darunter verstehen die Autoren eines kürzlich erschienen Leitfadens die Zusammenfassung zweier Entwicklungen. Zum einen die Integration des fachlichen und technischen BPM, was die sofortige Ausführung von Prozessänderungen ermöglicht. Die andere Entwicklung ist die Unterstützung von SOA durch BPM. Diese bietet die Möglichkeit, Services aus verschiedenen Implementierungen – z. B. auch Services in der Cloud – in die Abwicklung der Prozesse einzubeziehen. Ob man dazu wirklich einen neuen Begriff benötigt, darf bezweifelt werden. Davon abgesehen bietet der von zahlreichen Experten aus der Reihe der BITKOM-Mitglieder verfasste Leitfaden „Geschäftsinnovationen durch BPM-Technologien und SOA“ einen fundierten Überblick über die Thematik. Die kostenlose online-Veröffentlichung richtet sich sowohl an fachlich ausgerichtete Mitarbeiter als auch an IT-Experten.

BPM wird in seiner fachlichen und technischen Ausprägung vorgestellt und in den Unternehmenskontext eingebettet. Für die informationstechnische Umsetzung der Geschäftsprozesse wird ausschließlich die Ablaufsteuerung durch ein BPMS im Rahmen einer SOA vorgesehen. Andere im Einzelfall vielleicht sinnvolle Implementierungsmöglichkeiten werden nicht betrachtet.

Als vielversprechende Möglichkeit für die BPM-Einführung wird neben dem Top-down- und dem Bottom-up-Vorgehen ein pragmatischer Meet-in-the-middle-Ansatz vorgestellt, bei dem für ein konkretes Szenario gleichzeitig die fachlichen Modelle erstellt und die benötigten SOA-Services  bereitgestellt werden. Im Fokus sollte immer der sichtbare Mehrwert für die Nutzer stehen. Für das Zusammenspiel von Fachabteilung und IT wird die Rolle des „Process Engineers“ als Vermittler vorgeschlagen.

Recht ausführlich werden die anhand des BPM-Regelkreises (Modellieren/Simulieren – Implementieren – Ausführen – Überwachen/Monitoring) erläuterten Phasen im BPM und die erforderlichen Systemkomponenten beschrieben. Die dargestellte Vorgehensweise macht deutlich, dass es sich bei der Entwicklung SOA/BPM-basierter Lösungen um wesentlich mehr handelt als um die bloße Umsetzung und Ausführung eines Prozessmodells. So wird beispielsweise auf die Definition von Geschäftsobjekten und auf die Integration des Vorgehens mit der klassischen Software-Entwicklung zur Implementierung der benötigten Services verwiesen. Allerdings werden diese in realen Projekten sehr wichtigen Punkte nur angerissen. Dass es trotz etablierter Standards noch massive methodische Defizite bzgl. einer kompletten fachlichen Spezifikation des entstehenden Gesamtsystems gibt, wird nicht thematisiert.

Dennoch ist die Darstellung des Vorgehens zur Entwicklung wesentlich konkreter und detaillierter als in sonstigen Veröffentlichungen. Nützlich sind auch die dargestellten Best Practices und Lessons Learned. Schließlich enthält das Dokument einige kritische Betrachtungen zum BPM als Hype. Die für eine BPMS-Unterstützung erforderliche Strukturierung und Standardisierung von Prozessen steht einer flexiblen Änderung und Anpassung an ein dynamisches Umfeld entgegen. Als mögliche Ansätze für eine Verbesserung werden u. a. die Entkopplung von Prozessen und ihre Aufteilung auf teilautonome Organisationseinheiten genannt, aber auch ereignisorientierte Architekturen und das explizite Management von Geschäftsregeln.

In der Ankündigung des Leitfadens werden speziell auch kleinere und mittlere Unternehmen als Adressaten genannt. Allerdings ist der Text nicht als erste Einführung in das Thema geeignet. Ein gewisses Vorwissen ist bereits erforderlich. Außerdem kommt in dem Leitfaden die Komplexität des gesamten SOA-BPM-Komplexes sehr deutlich zum Ausdruck. Diese dürfte für viele KMUs eher abschreckend wirken. Für diese Zielgruppe wären vorkonfigurierte Lösungen mit allen wichtigen Komponenten und vordefinierten Prozessen hilfreich. Diese könnten ggf. als gehostete SaaS-Lösungen zur Verfügung stehen.

Der Leitfaden schließt eine Lücke zwischen den oberflächlichen Hochglanzbroschüren der Hersteller einerseits und den auf dem Markt verfügbaren, zumeist auf einzelne Aspekte spezialisierten Fachbüchern andererseits, indem er einen Gesamtblick auf die Entwicklung SOA- und BPM-basierter Lösungen bietet.