BPMCon 2012: Denkfehler und neues BPM

Zum zweiten Mal lud die Firma camunda zur BPMCon nach Berlin ins Umspannwerk Kreuzberg ein. Auch diesmal ging es mit einem prominenten Keynote-Sprecher los. Geladen war Rolf Dobelli, Autor des Buchs „Die Kunst des klaren Denkens“. Er hatte eine Reihe provozierender Beispiele für typische Denkfehler mitgebracht, z. B. den sogenannten Outcome Bias. Wenn wir ein gutes Ergebnis sehen, nehmen wir automatisch an, dass dahinter auch ein guter Prozess steckt. Wenn ein Fondsmanager gute Gewinne erzielt, denkt man, dass er über eine besonders gute Strategie verfügt. Es kann aber auch reiner Zufall sein. Schließlich gibt es tausende Fondsmanager. Da ist es nur wahrscheinlich, dass es einige gibt, die eine besonders hohe Performance erreichen. Ein anderes häufiges Problem ist die Sunk Cost Fallacy. So werden verlustreiche Projekte oftmals nur deswegen weitergeführt, weil man schon viel Geld investiert hat.  Auch wenn die meisten vorgestellten Denkfehler bereits in Dobellis Büchern und anderswo veröffentlicht wurden, war der Vortrag dennoch recht kurzweilig und nachdenklich machend.

Jakob Freund über BPM der leitete mit seinem Vortrag „BPM der nächsten Generation“ zum eigentlichen Thema über. Bei Diskussionen zum Thema BPM gibt es die immer wiederkehrende Klage über die mangelnde Akzeptanz der Fachabteilungen und des fehlenden Management Commitments. Freund wurde auch schon gefragt, warum er sich mit einem „Alte Männer-Thema“ wie BPM beschäftigt. Was ist spannend an dem Thema? Es kann sicher nicht darum gehen, nur seine Prozesse detailliert zu dokumentieren und die Effizienz zu steigern. Moderne Dienstleistungsunternehmen basieren ganz stark auf intellektuellen Leistungen. Die Frage ist, wie man Geschäftsmodelle skalierbar macht. Hierzu braucht man neben „Genies“ auch entsprechende Strukturen. Aufgabe des BPM ist es, das Zusammenspiel von Genie und Struktur so zu gestalten, dass diese Skalierung gelingt. Hierzu wird ein ganzheitlicher Ansatz benötigt.

Freund nannte einige typische Problemfelder im BPM. Eines ist die Illusion der Dokumentierbarkeit. So sind die „Genie“-Elemente nicht richtig dokumentierbar. Und: Die Dokumentation wird nicht gelebt, sofern es nicht durch Automatisierung oder Sanktionierung sichergestellt wird. Seine These: Das, was sich dokumentieren lässt, lässt sich tendenziell auch automatisieren. Hingegen sollte man nicht versuchen Genies durch Modellierung wegzudokumentieren.

Als zweites Problem nannte er die Faulheit in der Modellierung. Hier zeigte er noch einmal das Beispiel, das er am Vortag auf der BPMN-Tagung in Wien gehalten hatte (siehe hier). Er verglich die Prozessmodellierung mit Website-Design: Gute Webseiten kann auch nicht jeder erstellen – aber eine gute Webseite kann jeder ohne Probleme bedienen.   Also sollten Modelle auch von Modellierungs-„Genies“ erstellt werden, und zwar so, dass sie möglichst von jedermann verständlich sind.

Die „Angst vor den Nerds“ nannte er als drittes Problem. IT kann nicht einfach nur als Umsetzer der fachlichen Anforderungen verstanden werden. Dort, wo man sich strategisch differenzieren kann, sollte man seine IT selbst entwickeln, z. B. auf Basis von offenen Frameworks und Open Source. Freund plädierte noch einmal für die  iterative Entwicklung der Prozessmodelle – gemeinsam durch Fachbereich und IT.

 

2 Gedanken zu „BPMCon 2012: Denkfehler und neues BPM“

  1. Wow, ich habe meine Text noch im Wort und nicht auf dem Blog 😉
    Aber gut zusammengefasst!
    Was mir noch gut gefiel, war einer der Schlusssätez von Herrn Freund:
    Wenn eine Technik nicht mehr besonders im Marketing beworben ist, dann kann man davon ausgehen, dass sie nun ausgereift ist und so gut wie ohne Probleme genutzt werden kann.
    Mein Umkehrschluss: wenn ein Thema im Hype ist, plane entsprechend mehr Zeit für das Umgehen von noch vielen Kinderkrankheiten ein.

    Und ein weiterer Punkt: Das neue BPM-Thema Case Management ist in seiner Weite noch nicht richtig verstanden. Daher wird auch hier noch Zeit ins Land gehen müssen, bis wir auch die größeren, unstrukturierten Teil unserer Prozesse mit den involvierten genialen Menschen „in den Griff bekommen“.

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