Alles über die Enterprise Architecture-Notation ArchiMate

Mastering_Archimate_CoverArchiMate ist eine standardisierte Notation zur Modellierung von Enterprise-Architekturen, die in letzter Zeit eine zunehmende Verbreitung findet. So haben bereits eine ganze Reihe von Modellierungstool-Herstellern ArchiMate in ihre Methodenportfolio aufgenommen. Die offizielle Spezifikation kann von der Webseite der Open Group heruntergeladen werden, einem Konsortium für IT-Standards. Aber wie bei den meisten Standards ist das offizielle Spezifikationsdokument nicht unbedingt die beste Grundlage um die Notation zu erlernen.

Das englischsprachige Buch „Mastering ArchiMate“ liefert eine fundierte Einführung in die verschiedenen Notationselemente und das zugrunde liegende Metamodell von ArchiMate. Darüber hinaus wird aber auch sehr ausführlich beschrieben, wie die einzelnen Konstrukte konkret eingesetzt werden können, um verschiedene Aspekte und häufig in der Praxis vorkommende Architekturen zu modellieren.

ArchiMate bietet oft viele verschiedene Möglichkeiten einen bestimmten Sachverhalt abzubilden, weshalb es einiger Erfahrung und einheitlicher Modellierungskonventionen bedarf, um brauchbare Modelle zu entwickeln. Zudem können zielgruppenspezifische Modell-Sichten genutzt werden, in denen nur Ausschnitte aus der gesamten Modellpalette genutzt werden. Hier macht sich die Erfahrung des Autors Gerben Wierda bezahlt, der als Lead Enterprise Architect bei einem Finanzdienstleister sehr umfangreiche ArchiMate-Modelle erstellt hat.

Sehr aufschlussreich sind die verschiedenen vorgestellten Patterns. Hierzu gehören etwa die Modellierung von Desktop-Anwendungen, Zwei- und Dreischichten-Architekturen, Software-as-a-Service-Szenarien, Hochverfügbarkeits-Datenbankclustern und vielen weiteren. Auch wenn sich die Frage stellt, ob und zu welchem Zweck man das jeweilige System in der Praxis tatsächlich in der vorgestellten Detailtiefe modellieren würde, lernt man doch viel über ArchiMate. Manche Diskussion erscheint möglicherweise etwas akademisch. Schließlich kann man sich lange darüber streiten, ob es sich bei einer Excel-Datei mit Makros um ein Datenobjekt oder eine Anwendung handelt, und ob Excel dann eher als Anwendung oder als Teil der Infrastruktur betrachtet werden soll. Andererseits zwingen einen solche Überlegungen, sich genaue Gedanken über die Strukturierung der IT zu machen.

An vielen Stellen diskutiert Wierda auch grundsätzliche Fragen, die sich bei der Architekturmodellierung ergeben, wie z. B. den Unterschied zwischen Business Processes und Business Functions. Dem Zusammenhang zwischen der Geschäftsprozessmodellierung mit BPMN und der EA-Modellierung mit ArchiMate ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Da eine Enterprise Architecture auch Geschäftsprozesse, Funktionen, Rollen etc. umfasst, liegt es nahe, diese Inhalte mit den entsprechenden Konstrukten in BPMN-Modellen zu verknüpfen.

Schließlich werden auch die Vor- und Nachteile von ArchiMate besprochen und Verbesserungsvorschläge entwickelt. Der Autor beurteilt ArchiMate trotz einiger Schwächen als sehr gut in der Praxis anwendbar. Gelegentlich sieht er sich aber auch veranlasst, einige Regeln von ArchiMate etwas locker auszulegen um ein gut verständliches Diagramm zu entwickeln.

Das einführende Kapitel bieten einen gut verständlichen Einstieg in die Gundlagen von ArchiMate. Ein Großteil des Buchs ist aber keine leichte Kost und eher für ArchiMate-Experten zu empfehlen. Dem Autor ist dies durchaus bewusst, weshalb er auf der Webseite zum Buch eine verbilligte Kurzfassung anbietet, die nur etwa die erste Hälfte des Buchs umfasst. Ein Auszug mit dem Einführungskapitel kann sogar kostenlos angefordert werden.

Insbesondere für Einsteiger dürften viele Beispielmodelle aufgrund ihres hohen Detaillierungsgrades zumindest auf den ersten Blick abschreckend wirken. Wierda erwähnt, dass er mit Modell-Landschaften arbeitet, die mehrere Zigtausend Elemente umfassen. Diese Modelle erfüllen auch die Aufgaben einer Konfigurationsmanagement-Datenbank, in der alle IT-bezogenen Elemente des Unternehmens verwaltet werden. Ob es wirklich immer sinnvoll ist, all diese Details in grafischen Modellen zu verwalten, darf bezweifelt werden. Zumal die verschiedenen von Wierda vorgestellten Modell-Sichten offensichtlich die Pflege z. T. redundanter Modellinformationen erfordern.

Für den praktischen Einsatz dürfte es sinnvoller sein, weniger detaillierte grafische Modelle zu erstellen und die einzelnen IT-Assets in einer gewöhnlichen Konfigurationsmanagement-Datenbank zu verwalten. Das schmälert keineswegs die große Leistung, die Wierda mit seiner fundierten und umfassenden Analyse und Erläuterung des ArchiMate-Standards vollbracht hat. Nur ist ein Großteil dieser Ausführungen eben eher für Experten geeignet.


Gerben Wierda:
Mastering ArchiMate
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