Case Management-Anwender brauchen gar nicht so viel Adaptivität

Gartner untersucht Case Management Frameworks auf Basis von BPM-Plattformen

Nach dem Hype um „Adaptive Case Mangement“ (ACM) vor einigen Jahren ist es etwas ruhiger um das Thema Case Management geworden. Doch jenseits der Schlagzeilen spielt die IT-Unterstützung für schwach strukturierte, wissensintensive Prozesse in immer mehr Branchen eine zunehmende Rolle. So verfügen zahlreiche BPM-Plattformen über Case Management-Funktionalitäten, die auch bei vielen Kunden im Einsatz sind. Derartige Case Management-Frameworks auf BPMS-Basis standen im Mittelpunkt einer Untersuchung von Gartner. Daneben gibt es noch andere Systeme für das Case Management, z. B. Standardsoftware für bestimmte Einsatzgebiete (z. B. die Fallbearbeitung in Krankenhäusern oder in Versicherungen), dedizierte Lösungen für Adaptive Case Management (ACM) oder Case Management-Funktionalitäten von Content Management-Plattformen.

Gartner empfielt BPMS-basierte Case Management-Frameworks als Alternative zu spezialisierten Standardsoftware-Systemen, wenn es wichtig ist, die implementierte Lösung leicht ändern zu können. Es lassen sich zwei Extreme von Prozesstypen unterscheiden: Einerseits komplett vordefinierbare Abläufe, andererseits vollständig unvorhersehbarer Fälle, deren Bearbeitung ausschließlich durch Improvisation erfolgen kann. Da sich die meisten realen Anwendungsfälle zwischen diesen beiden Extremen befinden, ist die Verbindung von herkömmlicher BPM-Technologie mit Fallmanagement häufig sinnvoll.

Die von den Herstellern verwendeten Begriffe und Ansätze sind recht uneinheitlich. Unter Bezeichnungen wie „ad hoc“, „dynamisch“ oder „emergent“ werden oftmals ganz verschiedene Konzepte verstanden. Das macht es für die Anwender nicht unbedingt einfach. Auch Standards wie CMMN (Case Management Model and Notation) haben hier bislang noch keine Abhilfe geschaffen.

In der Untersuchung werden vier verschiedene Arten der Fallbehandlung unterschieden, die ein Case Management-System unterstützen sollte. Hierbei handelt es sich um investigative Fälle, die Bearbeitung von Störungen (Incident Management), die Bearbeitung von Service-Anforderungen und Prozesse mit komplexen Entscheidungen.

Je nach Typ stehen unterschiedliche Case Management-Funktionalitäten im Vordergrund. So sind investigative Fälle eher datenlastig, wohingegen beim Incident Management vor allem gute Kollaborationsmöglichkeiten wichtig sind. Für die Bearbeitung von Service-Anforderungen ist die Workflow-Steuerung von Bedeutung, und für entscheidungsintensive Prozesse spielt die Verarbeitung von Regeln eine große Rolle.

Bei den BPMS-basierten Case Management-Lösungen unterscheiden die Analysten fünf Ebenen:

  1. Die BPM-Plattform
  2. Die Case Management-Basis mit allgemein verwendbaren Features
  3. Horizontale, d. h. branchenübergreifende Geschäftslogik. Z. B. können Funktionen zur Verarbeitung von Beschwerden in vielen Branchen eingesetzt werden.
  4. Vertikale, d. h. branchenspezifische Geschäftslogik, z. B. spezielle Funktionalitäten für Versicherungen, Justizbehörden oder Technologieunternehmen.
  5. Komplettlösungen für bestimmte Arten der Fallbearbeitung. Im Gegensatz zu herkömmlicher Standardsoftware basieren derartige Komplettlösungen auf der flexiblen BPM-Plattform und können so leicht und auch vom Kunden selbst angepasst und erweitert werden.

Die Möglichkeit zur Änderung der Fallbearbeitung stellt somit eine zentrale Fähigkeit eines Case Management-Frameworks dar. Häufig kommen hierfür grafische Modelle zum Einsatz. Auch sollten Änderungen noch zur Laufzeit möglich sein.

Weitere wichtige Fähigkeiten eines solchen Systems sind die Nutzung verschiedener Arten von Content, Kollaborationsmöglichkeiten, die Fähigkeit zur Integration von Drittsystemen sowie Datenerfassung und Output Management. Ferner sollten verschiedene unterstützende Komponenten zur Verfügung stehen, wie Wizards, Muster und Anleitungen. Updates der Falldefinitionen sollten leicht durchzuführen sein. Und schließlich sollten die Benutzungsoberflächen zur Fallbearbeitung ebenso wie bereitgestellte Analysemöglichkeiten rollenbasiert anpassbar sein und auch mobile Geräte unterstützen.

Im Case Management spielt der Fallbearbeiter eine zentrale Rolle. Er soll häufig selbst entscheiden können, was als nächstes getan wird. Die extreme Flexibilität, die im Zusammenhang mit dem Konzept des „Adaptive Case Management“ (ACM) häufig gefordert wird, sieht Gartner hingegen kritisch. Bei den meisten Anwendern gebe es beispielsweise keinen Bedarf dafür, dass während der Fallbearbeitung komplett neue Ziele und Meilensteine modelliert werden können.

Man solle den Benutzern keine vollkommene Freiheit einräumen, sondern festlegen, wem man zu welchem Zeitpunkt welche Spielräume gibt. Klare Begrenzungen sorgen dafür, dass kein Chaos entsteht. Es ist aber nicht einfach, die richtige Balance zwischen Einschränkungen und Freiheit zu finden.

Die zwei Gartner-Reports lassen sich bei einigen der untersuchten Anbieter kostenfrei herunterladen, z. B. bei Pegasystems (Registrierung erforderlich):