Bericht von der Prozessmanagement 2010 in Wien (Teil 1)

Bereits zum fünften Mal fand diese Woche die Konferenz „Prozessmanagement“ in Wien statt. Sie hat sich mittlerweile als eine der führenden Tagungen zu diesem Thema im deutschsprachigen Raum etabliert. Praktisch alle Vorträge fokussierten eine stark Business-getriebene Sicht auf das Thema und die dauerhafte Einrichtung eines kontinuierlichen Prozessmanagements. Bei einem Großteil der ca. 80 Teilnehmer findet sich auch explizit das Wort „Prozessmanagement“ in der Positions- oder Abteilungsbezeichnung. Dies zeigt, dass immer mehr Firmen Prozessmanagement ernst nehmen und fest im Unternehmen etablieren wollen. Einen Schwerpunkt bildete dieses Jahr das Thema Umsetzung und Change Management.

Dies war auch das Thema des Eröffnungsvortrags von Sven Schnägelberger, der ausführte, dass Prozessmanagement immer Veränderung bedeutet. Das heißt, dass u. a. bestehende Verantwortungen in Frage gestellt, Kommunikation und Führungsverhalten verändert und eine neue Fehlerkultur etabliert werden. Dies funktioniert nur mit einer entsprechenden intrinsischen Motivation. Das bedeutet u. a., dass Bewusstsein für die Dringlichkeit der Veränderungen geschaffen sowie eine klare Vision erarbeitet und kommuniziert werden muss. Sichtbare, kurzfristiger Erfolge tragen wirkungsvoll zur Akzeptanz der Veränderungsmaßnahmen bei.

Christian Rosenthal von Siegenia-Aubi, einem Hersteller von Fensterbeschlägen und Lüftungsgeräten, zeigte Schlüsselkriterien für die erfolgreiche Prozessmanagement-Einführung auf. Bei Siegenia-Aubi musste die Fusion zweier sehr unterschiedlicher Unternehmen bewältigt und viele unterschiedliche Niederlassungen berücksichtigt werden. Anders als in vielen anderen Unternehmen, bei denen die bestehende Aufbauorganisation unverändert bleibt, hat Siegenia-Aubi tatsächlich eine Prozessorganisation mit einer klaren Zuordnung der Mitarbeiter und Kostenstellen eingeführt. Das Prozessmanagement-System ermöglichte der Firma ein starkes Wachstum zu bewältigen und dabei den administrativen Overhead konstant zu halten. Die Dauer von Entwicklungsaufgaben konnte um 35% gesenkt und die Liefertreue von 65 auf 90% gesteigert werden. Zu den Erfolgsfaktoren gehören ein klarer Auftrag der obersten Leitung, eindeutige Prozessverantwortung, die Einbeziehung aller Mitarbeiter und die konsequente Ausrichtung auf den Kunden. Ein Kennzahlensystem, die ständige Arbeit an den Prozessen sowie regelmäßige Management-Reviews dienen dazu, die Prozesse am Leben zu halten.

Nur wenige – aber relevante – Prozesskennzahlen

Dr. Stefan Bergsmann von Horváth und Partners gab eine fundierte Erörterung der Performancesteuerung mit Prozesskennzahlen. Er plädierte dafür, nur wenige Prozesskennzahlen zu erheben, aber dafür zu sorgen, dass diese Kennzahlen wirklich relevant für die Unternehmenssteuerung sind und in das normale Controlling integriert werden.

Alfred Reznik stellte die Anwendung der Prozesskostenrechnung bei Antalis Austria vor. Antalis ist ein führender europäischer Händler für Feinpapiere, Kuverts, Verpackungen und Visual Communication-Materialien. Die in der Vergangenheit durchgeführte Deckungsbeitragsrechnung war in vielen Teilen nicht verursachungsrecht. Mit Hilfe der eingeführten Prozesskostenrechnung konnte eine wesentlich fundiertere Artikel- und Kundenerfolgsrechnung erreicht werden. Hierdurch wurde erkannt, dass es einen großen Anteil nicht profitabler Artikel und Kunden gab. Diese Situation konnte durch eine Änderung der Auftragskalkulation verbessert werden, beispielsweise durch die Einführung von Zuschlägen für kleine Mengen oder Entgelte für bisher kostenlos angebotene Dienstleistungen.

Sehr lebhaft und mitreissend war der Vortrag von Eckhard Gatawis, der darüber sprach, wie bei Hoerbiger Kompressortechnik die operativen Ziele mit der Unternehmensstrategie in Einklang gebracht werden. Sein Credo lautet: „Das Wichtigste ist Kommunikation“. Als Beispiel zeigte er ein aufklappbares Kommunikationsbanner mit vielen Informationen, Beispielen und Success Stories aus dem gesamten Konzern. Dieses Medium wurde von Marketingprofis entwickelt. Es wird etwa im Rahmen von Workshops eingesetzt, bei denen bunt durcheinandergewürfelte Teams eine spielerische Weltreise durch die verschiedenen Werke unternehmen und dabei diverse Fragen beantworten müssen. Gatawis stellte einige Leuchtturmprojekte vor, die als Best Practices im Unternehmen bekannt gemacht werden. Diese sollen von anderen jedoch nicht unverändert übernommen, sondern an die jeweilige Situation angepasst werden: „Nicht kopieren – kapieren!“.

Transparenz schafft Konflikte

Auch Agatha Kwasniewski von der Telekom Austria beschäftigte sich mit der Ausrichtung des Prozessmanagements an der Unternehmensstrategie. Dort hatte der Vorstand den Aufbau eines Corporate Process Management initiiert, um dem permanenten Kostendruck und den Erwartungen der Stakeholder zu begegnen. Ziel ist es, die Kernprozesse zu optimieren, zu standardisieren, zu messen und zu steuern. Zur Etablierung eines permanenten Prozessmanagements wurden prozessbezogene Verantwortlichkeiten definiert. So stellen Process Owners der Kernprozesse die End-to-End-Betrachtung der Prozesse über die nach wie vor existierenden Fachbereichsgrenzen hinweg sicher. Ein Performance Cockpit bietet einen Überblick über die Process Performance, aber auch Drill down-Möglichkeiten. Auch wenn es theoretisch hinreichend bekannt ist, betonte Frau Kwasniewski noch einmal, wie wichtig auch in der Praxis ein klarer Vorstandsauftrag zum Aufbau des Prozessmanagements ist. Man müsse sich im Klaren darüber sein, dass die neu geschaffene Transparenz existierende Probleme deutlich macht und daher Konflikte entstehen, die gelöst werden müssen.

Nachdem bereits die vorangehenden Redner die Bedeutung der einzelnen Mitarbeiter und der Kommunikation betont hatten, widmete Marion Baumann von der österreichischen Volksbank AG ihren Vortrag komplett diesem zentralen Aspekt. Sie stellte vor, wie sie und ihre Kollegen mit Begeisterung durch den Prozesslebenszyklus gehen. Prozessmanagement funktioniert nur, wenn die Unternehmenskultur dies zulässt. Die Kultur kann nicht einfach gewechselt, wohl aber verändert werden. Wobei, so Frau Baumann, die Geschwindigkeit der Kulturveränderung der Organisation angemessen sein muss. Zentral ist das Vorleben durch die Führungskräfte, weshalb die Auswahl der richtigen Personen als Prozessverantwortliche ganz wichtig ist. Herkömmliche Prozsshandbücher seinen kein geeignetes Werkzeug um Prozessmanagement zu leben. Verständnis und Begeisterung entstehen vielmehr im Rahmen von Workshops, in denen die Mitarbeiter ihre Prozesse entwickeln und diskutieren. Der Prozesscoach solle die Mitarbeiter motivieren, Einfluss auf ihr eigenes Umfeld zu nehmen – weg vom Mitarbeiter, hin zum Mitgestalter. Begeisterung entstehe, wenn die Mitarbeiter ihre Talente in erfolgreiches Handeln umsetzen könnten. Und: Sie müssten Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren – was in vielen Unternehmen viel zu selten der Fall sei.

Aus Niederlagen lernen

Am Abend stand ein Überraschungsvortrag auf dem Programm. Der Referent, Dr. Christian Ortner, entpuppte sich als Militärhistoriker und Leiter des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien. In einem fesselnden Vortrag analysierte er vor allem Niederlagen in der Geschichte der österreichischen Armee – und ihre Ursachen. In vielen Fällen lassen sich leicht parallelen zur Unternehmenspraxis ziehen. Ob es nun Kommunikationsprobleme sind, falscher Ehrgeiz mittlerer Führungsebenen oder Sparen an der falschen Stelle – die Reaktion der Zuhörer zeigte, dass sie vergleichbare Situation aus ihrer Arbeit kennen. Ortner stellte auch fest, dass meist nur die Verlierer aus ihren Erfahrungen lernen und einen Modernisierungsschub erfahren. Aufgrund ihres Erfolges sind die Sieger der Ansicht, nichts an ihrer Strategie ändern zu müssen. Dieses Verhalten ist ja ebenfalls für viele Unternehmen typisch.

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