Gut strukturierte Fallstudien zum Prozessmanagement

Dieses englischsprachige Buch versammelt insgesamt 31 Fallstudien zu den unterschiedlichsten Facetten des Geschäftsprozessmanagements. Vertreten sind Unternehmen aus insgesamt 19 Branchen und zahlreichen verschiedenen Ländern. Wer wissen möchte, wie Prozessmanagement unternehmensweit eingeführt wird und eine strategische Transformation unterstützt, findet hierfür ebenso Beispiele, wie derjenige, der sich für den Einsatz der Prozessmodellierung, die prozessorientierte Einführung von IT-Systemen oder den Aufbau einer Prozesskultur interessiert.

Das Buch ist nach den BPM-Kernelementen in die Themengebiete „Strategie und Governance“, „Methoden“, „IT“, sowie „Menschen und Kultur“ gegliedert. Was sehr nützlich ist: Die Herausgeber haben den Autoren eine einheitliche Struktur für ihre Beiträge vorgegeben und auch erfolgreich durchgesetzt. In jeder Fallstudie wird zunächst die Ausgangssituation geschildert. Anschließend werden die durchgeführten Maßnahmen erläutert, dann die erzielten Ergebnisse vorgestellt, und schließlich werden Erfahrungen und Empfehlungen aus der Fallstudie zusammengefasst („Lessons Learned“ ). Auch die Abstracts sind nach diesem Muster aufgebaut. Dies erleichtert es einem beim Lesen ungemein, schnell an die relevanten Informationen zu gelangen und die einzelnen Fallstudien nachzuvollziehen.

In vielen Beiträgen wird auch Bezug auf die abgedeckten Phasen des BPM-Lebenszyklus genommen, und die Prozesse und die BPM-Initiativen werden nach einem einheitlichen Schema charakterisiert.

Aufgrund der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Fallstudien sollen hier keine einzelnen Beispiele herausgegriffen werden. Auf der Website zum Buch www.bpm-cases.com gibt es unter anderem einen „Case Finder“, mit dem man gezielt die Fallstudien heraussuchen kann, die sich auf bestimmte Aspekte und BPM-Lebenszyklusphasen beziehen.

Trotz der einheitlichen Kapitelstruktur variiert der Stil der Fallbeschreibungen. So gibt es etwa im Teil „Strategie und Gorvernance“ die eine oder andere recht allgemein gehaltene Darstellung, die wenig greifbare Anregungen für andere Unternehmen bietet. Andere Kapitel sind dafür umso konkreter und damit nützlicher für Prozessmanager, die mit vergleichbaren Problemstellungen zu tun haben.

Vergleichsweise häufig taucht das Thema Process Mining auf. Dabei wird einerseits die Anwendbarkeit dieses Verfahrens für praktische Fälle eindrucksvoll demonstriert, andererseits wird meist nicht dargestellt, zu welchen Konsequenzen die gewonnenen Ergebnisse geführt haben und wie groß der Zusatznutzen gegenüber anderen Analyseverfahren tatsächlich ist.

Leider dominiert bei den Fallbeschreibungen die Innensicht der Unternehmen, und es finden sich nur wenige Beispiele dafür, welche Rolle das Prozessmanagement für die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle spielen kann. Positive Ausnahme ist ein Beitrag, der die systematische Entwicklung der Geschäftsprozesse beschreibt, die für ein Netzwerk von privat betriebenen elektrischen Ladestationen benötigt werden. Allerdings handelt es sich um ein öffentlich gefördertes, nach Projektende nicht weitergeführtes Projekt.

Insgesamt bietet das Werk einen umfassenden Fundus an Erfahrungen. Damit belegt es eindrucksvoll den Stand, den das Prozessmanagement in der Praxis gewonnen hat. Jenseits des BPM-Hypes vor einigen Jahren spielen die Geschäftsprozesse längst eine zentrale Rolle im Management erfolgreicher Unternehmen.


vom Brocke, J.; Mendling, J.:
Business Process Management Cases
Springer 2017
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